Die Millionärsmesse in Moskau ist das Disneyland für Reiche Russen. Extravaganz verkauft sich am besten: Diamanten besetzte Autos, aus Mammutelfenbein geschnitzte Schachbretter und ausgestopfte Säbelzahntiger. Ein Schnäppchen kostet in der Kategorie der Superreichen eine Million Dollar.
Drei halbnackte, mit Glitzerspray eingeölte Blondinen räkeln sich auf dem Verkaufstresen. Mit ihren langen Beinen umkreisen sie eine mit 24 Karat vergoldete Espressomaschine der Edelmarke "Bugatti", die zur Auktion freigegeben ist. Innerhalb von wenigen Sekunden wird der zuvor kaum beachtete Ausstellungsstand mit den edlen Küchengeräten aus Italien zumBlickfang für russische Machobonzen.
3000 Euro bietet der dickliche Mann in der ersten Reihe, der sich leicht betrunken von den Mädchen zum Geld ausgeben anreizen lässt. 4000 Euro will Bulgar Rachmanow, ein Geschäftsmann aus Aserbaidschan, auf den Tisch legen. "Diese Kaffeemaschine gibt es nur ein Mal auf der Welt", zuckt er lässig mit den Schultern. Seine Hände stecken locker in der Hosentasche des braunen Nadelstreifenanzugs. "Wenn schon kein Bugatti vor meiner Garage steht, dann muss ich doch wenigstens einen in der Küche haben", erklärt er seinen Spontaneinkauf. Dabei trinkt er lieber Tee als Kaffee und fährt einen Austin Martin, wie er beiläufig anmerkt.
Die Millionärsmesse in Moskau ist das Shoppingparadies der Superreichen der russischen Hauptstadt. Sie findet in diesem Jahr zum dritten Mal statt und Moskau hat was Umsatz und Extravaganz angeht schon lange den beiden anderen Veranstaltungsorten den Rang abgelaufen: Amsterdam und Shanghai. In den zwei Ausstellungshallen am westlichen Stadtzentrum unternehmen mehr als hundert Stände von Luxusprodukten den Versuch, Menschen, die von der Jacht bis zum Privatjet ohnehin schon alles haben, doch noch
etwas zu verkaufen. Das Prinzip der 200 Aussteller: Exotisch muss es sein.
Ein Säbelzahntiger als Hauskatze
Einzigartig auf der Welt ist beispielsweise der zwei Meter lange, ausgestopfte Säbelzahntiger aus der späten Eiszeit - mit echtem Fell und original, rund 50.000 Jahre altem Schädel. Er fletscht am Ausstellungsstand des russischen Museums "Iceage" den Bonzen die 15 Zentimeter langen Eckzähne entgegen. Der Preis für dieses einmalige Stück: umgerechnet gerade mal rund 51.000 Euro. Da wendet sich manch Reicher gruselnd und kopfschüttelnd. "Zu billig", sagen sie dann. "Dabei ist das doch die perfekte Hauskatze", sagt, Alexander Swalow, Verkaufsdirektor des Moskauer Vertriebs für archäologische Funde aus der Eiszeit und streichelt dem gewaltigen Tier zärtlich durch das Fell. "Man muss ihn nicht füttern und er macht sich gut in großen Wohnzimmern", schmunzelt er.
Eigentlich verkauft "Iceage" Zähne, Skelette, Mammut-Schädel und Mammut-Elfenbein an Museen weltweit als Exponate. Nur in Russland interessieren sich hauptsächlich Privatkunden für die seltenen Fundstücke aus den sibirischen Eisschichten.
Im März vergangenen Jahres hatten Swalow und seine Kollegen einen sonderbaren Auftrag, verrät er. Ein reicher Russe wollte seiner Frau ein Geschenk zum Frauentag machen und bestellte ein Mammut-Skelett. "Wir mussten das dreieinhalb Meter hohe Gerippe mitten in der Nacht auf einem Hügel vor dem Haus aufbauen", erzählt er schmunzelnd. Umgerechnet fast 60.000 Euro kostete die Überraschung - das Mammutskelett steht immer noch in der Datschen-Siedlung am südlichen Stadtrand von Moskau.
Weltstadt der Milliardäre
Moskau ist heute so etwas wie die Weltstadt der Reichen, oder besser gesagt: die Welthauptstadt der Reichen, die ihr Geld so schnell ausgeben, als gäbe es kein Morgen. Laut Business-Magazin "Forbes" leben in der teuersten Stadt der Welt, mehr Milliardäre als in
jeder anderen Metropole. Russland ist mit 53 Dollar-Milliardären auf der Weltrangliste der
Superreichen auf Platz drei aufgestiegen, nach den USA und Deutschland. Ihr Vermögen ist zusammen 337 Milliarden Wert - mehr als ein Viertel des Bruttoinlandproduktes des Riesenreiches.
Das Durchschnittsalter der im russischen "Forbes"-Magazin veröffentlichten 100 reichsten Russen liegt bei 45 Jahren. Sie sind nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in den wilden Neunziger Jahren schnell zu Geld gekommen und haben keine Scham, ihr Reichtum zu verprassen. Doch die Zeiten, in denen sich die Ölbarone mit Villen, Autos, Jachten und Privatjets eingedeckt haben, sind vorbei. Der erste Konsumrausch ist erst einmal befriedigt. Selbst ein eigenes U-Boot zu besitzen, ist "out".
"Um den reichen Russen überhaupt noch was verkaufen zu können, muss man sich was einfallen lassen", erklärt Leonhard Gruhm, Geschäftsführer der deutschen Geschwister Hillebrand GmbH, die Dresdner Porzellan in Moskau vertreibt. Deswegen hat er zehn Mitarbeiter der seiner russischen Partnerfirma zweieinhalb Monate lang 750.000 glitzernden Swarowski-Kristallsteinen auf einen weißen Mercedes kleben lassen. Jetzt ist der Wagen mehr als das Doppelte wert und ein attraktiver Blickfang, um die Schickeria an seinem Messestand mit den Porzellanvasen zu locken. Die Idee hat funktioniert: Eine Stunde nach Eröffnung der Messe haben bereits fünf Russen Interesse daran angemeldet. "Einer davon kauft den Glitzerwagen als Hochzeitslimousine", ist er sich sicher.
Schnäppchen für eine Million
Ein neuer Trend auf der Millionärsmesse sind in diesem Jahr bizarre Motorräder. Auch hier zieht Seltenheitswert als Verkaufsargument. Ob in violett mit goldenen Felgen, silber-blau glitzernden Motor oder mit Airbrush von nackten Frauen auf dem Benzin-Tank - jedes Motorrad ist ein Unikat und nur auf Bestellung zu bekommen. Ein anderer Hersteller, die russische Vertriebstocher des amerikanischen Motorradherstellers "Arlen Ness" rechnet mit großem Umsatz. Vor einem Monat haben sie in Moskau ein Geschäft eröffnet. In Sankt Petersburg suchen sie noch immer nach einem geeigneten Ausstellungsraum. Die meisten Russen, die umgerechnet über 50.000 Euro für eine getunte Chopper ausgeben, seien in ihrer Jugend schon Motorrad gefahren, erzählt Jaroslawl Pasternak, Verkaufsmanager von "Arlen Ness". Heute sind sie Chef eines Unternehmens und wollen sich ihren Jugendtraum erfüllen. Doch viele bestellen die edlen Maschinen nicht um damit zu fahren, erklärt er: "Wir haben Kunden, die stellen sich das edle Stück einfach nur ins Wohnzimmer."
Sonderangebote der Spitzenklasse gibt es auch: Eine Million kostet das Schnäppchen am Stand der Edelautomarke Bentley: Wer vier mit 750-Karat- Edelsteinen besetzte Felgen kauft, der bekommt den Wagen.
In der Kältekammer gegen den Wodkarausch
Deutsche Firmen profitieren vom Goldrausch der Russen. Neben mit Kristallen besetzten Mercedes-Limousinen und Villen im Stil von Baden-Baden verkaufen sich auf der Millionärsmesse in Moskau auch medizinische Geräte für den Hausgebrauch: Die Kältekammer "Made in Germany" ist die teuerste Aspirin der Welt – gegen den dicken Kopf nach zu viel Wodka.
Sobald die Tür zur Kältekammer verriegelt ist und Enrico Klauer, ein erfinderischer deutscher Geschäftsmann, die Temperatur auf minus 85 Grad eingestellt hat, wirbeln in der Kabine kleine Schneeflocken umher. Die drei leicht bekleideten, russischen Models bekommen eine Gänsehaut, während die männlichen Messebesucher sie durch die Glastür hindurch schmunzelnd beobachten.
Die ein Quadratmeter große Box, die normalerweise zur Schmerzbehandlung bei Rheuma in deutschen Kliniken steht, ist so etwas wie die teuerste Aspirin-Tablette der Welt, oder ein extravanganter Alcaselzer-Ersatz: Für 160.000 Euro lässt sich so der Kater nach einer durchzechten Wodka-Nacht behandeln. Nach drei Minuten Kältetherapie ist der Kopfschmerz weg, die Durchblutung auf Hochtouren – das jedenfalls verspricht der deutsche Medizingerätehersteller „mecoTec“.
Die Firma aus dem süddeutschen Pforzheim will sich einen neuen Markt erschließen. Für das Badezimmer der reichen Russen hat Enrico Klauer einen Prototyp seiner Kältekammer entworfen. Sie ist kleiner und lässt sich wahlweise auch in der russischen Sauna anschließen. „Unser Partner ist sich sicher, dass sich die Box in Russland prima verkaufen lässt“, erklärt Klauer, Geschäftsführer von „mecoTec“, der in Moskau das deutsch-russische Joint Venture „Criohome“ aufgebaut hat. „Reiche Russen haben den Fitness-Trend entdeckt“, meint der russische Direktor Erganokow Chasanbi und zwinkert: „Aber das Wodka-Trinken können sie
dennoch nicht lassen.“
Auch die Deutsche Marie-Christine von Wedel, Teilhaberin der
Service-Agentur „The Noble World“, am Stand nebenan hat schon in der Kältekammer gebibbert. Vielleicht ist das ein Luxusprodukt, das die Firma in ihr Angebot aufnehmen wird. „The Nobel World“ versorgt die Schickeria mit allem, was zu einem Luxusleben dazu gehört: ob nun das Feriendomizil in Saint Tropez, Nizza oder Kitzbühl, einen privaten Joga-Trainer oder den Kindergeburtstag am Pool – für die Reichen organisieren sie alles, solange sie dafür bezahlen.
Früher waren die Deutschen und Briten ihre besten Kunden, heute seien es neben den Saudis die Russen, schwärmt sie. „Die Milliardäre aus Moskau geben ihr Geld gerne aus“, schmunzelt Wedel. Sie seien nicht so knausrig wie die Deutschen. 200.000 bis 300.000 Euro für ein Wochenende am Mittelmeer plus ein Kilo Kaviar. Das sei mittlerweile Standard.
Ausgefallene Wünsche muss sie dennoch manchmal organisieren: Ein Russe wollte unbedingt Champagner der Marke „Kristall“, die er mit dem Privatjet aus dem gerade in bester Lage eröffneten Moskauer Ritz-Carlton Hotel nach Saint Tropez einfliegen ließ. Die zwölf Flaschen für die Dinnerparty kosteten schlappe 100.000 Euro.
Die neue Generation der reichen Russen sei zivilisierter und noch jünger als die erste Generation der Oligarchen, verrät Wedel. Zwischen 35 und 40 Jahre schätzt sie ihre Kunden. „Die Zeiten, als die Russen polternd das teure Porzellan durch das Wohnzimmer der gemieteten Villen geworfen haben, sind vorbei“, erzählt sie sichtlich erleichtert. Jetzt sind die Russen ihre Lieblingskunden.
Knapp 70.000 Euro hat ihre Agentur „The Nobel World“ für den Ausstellungsstand auf der Moskauer Millionärsmesse ausgegeben. Doch es hat sich gelohnt. Fünf Interessenten kann sie schon am ersten Messetag verbuchen.
Deutsche Unternehmen profitieren sichtlich vom Geldsegen, den der hohe Ölpreis dem russischen Rohstoffmecca beschert hat. 53 Dollar-Milliardäre zählt das Riesenreich laut dem Business-Magazin „Forbes“. Es werden jährlich mehr. Russland hat Deutschland auf der Rangliste der reichsten Menschen der Welt fast überholt. Die Deutschen liegen mit 55 Milliardären auf Platz zwei, die Russen auf drei.
Die Superreichen wie der Ölmangnat Roman Abramowitsch oder der Aluminiumprinz Oleg Deripaska lassen sich bei der „Millionair Fair“ nicht sehen. Schließlich sind sie Milliardäre und außerdem besitzen sie schon alles. Im Fall von Abramowtisch: Jachten, ein U-Boot, einen
Privatjet und mehr als ein gutes Dutzend Villen. Also schlendern lediglich die so genannten Mini-Oligarchen, unscheinbare Banker und Geschäftsmänner mit Millionenvermögen, gelangweilt und gerne auch einmal in Jeans durch die Ausstellungshallen.
„Ich kann überhaupt keine Millionäre entdecken“, zuckt Hans Schott mit den Schultern. Gemeinsam mit seiner Frau Maja Schott, die Luxusimmobilien verkauft, ist er nach Moskau gereist, um sich die extravaganten Russen einmal live anzusehen. Im Fernsehen hat das Berliner Ehepaar im vergangenen Jahr eine Reportage über die Millionärsmesse gesehen. Dieses Jahr sind sie selbst hier und machen lange Gesichter: „Man braucht doch nicht nach Russland fliegen, um sich Mercedes, Volkswagen und Dresdner Porzellan anzuschauen“, seufzt Schott. Wahrscheinlich aber haben sie den ein oder anderen schwerreichen Russen einfach nicht erkannt.
„Made in Germany“ jedenfalls hat auf der Millionärsmesse einen ebenso guten Ruf wie in Russland generell. So ein Mercedes sei immer noch das beste Aushängeschild für deutsche Luxusprodukte, findet Leonhard Gruhm. Er ist Geschäftsführer der Geschwister Hillebrand
GmbH, die Dresdner Porzellan in Moskau vertreibt. Gruhm hat zehn Mitarbeiter zweieinhalb Monate lang 750.000 glitzernde Swarowski-Kristallsteine auf einen weißen Mercedes kleben lassen. Der funkelnde Wagen ist ein attraktiver Blickfang, um die Schickeria an seinem Messestand mit den Porzellanvasen zu locken.
Weil deutscher Glamour so gut bei den Russen ankommt, hat die britische Immobilienfirma „Intermarksavills“ in der Ausstellungshalle am westlichen Stadtrand von Moskau ein kleines Stück Schwarzwälder Luxusleben aufgebaut. In Miniaturform kann sich der reiche Russe in
einem Glaskasten eine Baden-Badener Villa aussuchen. Die kann er dann in eineinhalb Jahren in der Datschen-Siedlung „Baden-Baden-Moskau“ am südwestlichen Stadtrand der russischen Hauptstadt beziehen.
Das Münchner Architekturbüro „Neumayer & Partner“ plant das Projekt. „Damit auch wirklich deutscher Luxus-Standard eingehalten wird“, erklärt die Verkaufsmanagerin Elena Karpowa. „Reiche Russen lieben Baden-Baden schon seit dem 19. Jahrhundert“, schwärmt sie. Sie wollen
so leben wie einst Iwan Turgenew und Fjodor Dostojewskij, die beide den Badeort im Nordschwarzwald besucht haben.
Mit Geld ist einfach alles möglich in Russland. Und wenn man tief genug in die russische Erde bohrt, findet man dort auch heiße Mineralquellen wie sie in Baden-Baden aus dem Boden sprudeln – oder eben jede Menge Öl.