„Putins Plan“ heißt das Wahlprogramm der Kreml-Partei „Einiges Russland“. Doch dieser Plan existiert nicht. Eine Musikgruppe aus Wladiwostok macht den Wahlslogan jetzt zum Kultobjekt, denn „Plan“ ist auch das russische Slangwort für Marihuana.
Unter all den bunt bemalten hölzernen Matroschken an Irina Iwanowas Souvenirstand neben dem Roten Platz in Moskau gibt es eine, die verkauft sich besonders gut derzeit: Die Steckpuppe mit dem Portrait des Präsidenten Wladimir Putin. Gleich fünf davon stehen zwischen den Matroschken mit den Gesichtern von Lenin, Stalin, Harry Potter und John Lennon. „Es ist doch Wahlkampf“ lächelt Iwanowa und zeigt auf das riesige Werbeplakat hinter ihr: „Moskau wählt Putin“ steht dort.
Mit klammen Fingern öffnet sie die zweiteilige Präsidenten-Matroschka. Heraus nimmt sie eine kleinere Puppe mit Putin-Gesicht. Als sie diese Schachtelfigur aufmacht, lächelt einem erneut Putin entgegen. Wen wundert es: Selbst die kleinste, erdnussgroße Figur im Inneren des Puppenbauchs ist dem Präsidenten wie aus dem Gesicht geschnitten – Putin ist einfach überall. Die Parlamentswahl am 2. Dezember wird zum Referendum über ihn und seine politische Zukunft.
Der Präsident ist nicht nur zur Schaufensterpuppe, sondern auch zum Inhalt einer – seiner – Partei avanciert, deren Mitglied er nicht einmal ist. „Putins Plan ist Russlands Sieg“ lautet der Slogan, mit dem „Einiges Russland“ wirbt. Wer die Wahlkampf-Broschüre auffaltet, dem lächelt nach dem Matroschka-Prinzip der Präsident entgegen: Er steht in einem Ernte reifen Roggenfeld und blickt zuversichtlich in die Ferne. Doch was sind die Ziele und Inhalte von „Putins Plan“? Diese Frage kann kaum jemand beantworten. Wie bei der Matroschka ist auch der Putin-Wahlkampf eine Mogelpackung. Egal wie viele Schachtelpuppen man öffnet, heraus kommt immer eines: Leere – wie der Slogan „Putins Plan“.
Wer in der Parteizentrale anruft, bekommt eine Broschüre mit Präsidenten-Reden zugeschickt, denn der viel beworbene Plan Putin existiert in Wirklichkeit gar nicht. Wer auf der Webseite der Putin-Partei „Einiges Russland“ nach einem Programm sucht, findet deshalb nur ausschweifende Kommentare: „Wir brauchen eine Mehrheit in der Duma und in der Regierung, um Putins Plan zu erfüllen“, fordert der Partei-Vorsitzende Boris Gryslow. „Putins Plan zur Schaffung einer großen russischen Zivilisation“, preist der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Andrej Worobew. Darüber prangt die Überschrift „Einiges Russland erfüllt Putins Plan“.
Das Motto „Planerfüllung“ als Parteiprogramm erinnert an die Zeiten der Sowjetunion. Schon damals garantierte die Kommunistische Partei die Herrschaft ihrer Generalsekretäre – von Stalin oder Chruschtschow bis hin zu Gorbatschow – die verfassungsrechtlich keinerlei Amt inne hatten und dennoch alle Fäden im Staat zusammenhielten.
Politologen und Journalisten spekulieren über die Zukunft Putins, dessen letzte Amtszeit als Präsident laut Verfassung im Frühjahr ausläuft. Der Putin-Kult lässt jedoch erahnen, dass er nicht einfach von der politischen Schaubühne zurücktritt. Zum „Nationalen Führer“ hat ihn die ergebene Partei bereits auserkoren. So verläuft in Putins Russland derzeit alles nach Plan.
Damit ist der Grundstein zu einer charismatischen Herrschaft gelegt, die keine verfassungsrechtliche Legitimation mehr braucht.
Denn das Volk verlangt angeblich nach ihm, dem „Führer“ mit Charisma: Eine vom Kreml initiierte Massen-Bewegung mit dem Namen „Für Putin“ fordert Putin auf, weiter im Amt zu bleiben. 71.280 Anhänger haben bereits auf deren Webseite ihre Stimme abgegeben – es werden von Minute zu Minute mehr. Prominente und Intellektuelle wie Regisseur Nikita Michailkow und Albert Tscharkin, Präsident der Sankt Petersburger Kunstakademie, flehen Putin in einem Brief inbrünstig an, zu bleiben. Das erinnert stark an die Treue-Rituale der Stalinzeit, als der „Führer“, Stalin, mit Bittbriefen überhäuft wurde.
Wladislaw Surkow, der Puppenspieler und Chefideologe im Kreml, dessen Erfindung die Partei „Einiges Russland“ ist, hat also lediglich alte Tricks wieder aufgelegt: die Einigung des Volkes unter einer Vaterfigur. Ähnlich wie in den dreißiger Jahren das Politbüro um Stalin einen Personenkult gesponnen hat, so erdichtet heute das moderne Politbüro, die Präsidialadministration und deren Vizechef Surkow, den Putin-Kult um den Präsidenten. Wie die Sowjet-Partei einst den Marxismus-Leninismus, so predigt die Partei „Einiges Russland“ heute „Putins Plan“ als Weg in eine bessere Zukunft. Folgt darauf der Putinismus?
Der Plan ist im Wahlkampf so allgegenwärtig, dass sogar die Opposition darauf anspringt.
Die „Kommunistische Partei“ wirbt mit dem Slogan „Plan des Volkes“ und die Oppositionspartei „Union der Rechten Kräfte“ entwarf den Spruch „Putins Plan ist Russlands Schritt zurück“. So wirkt auch ihr Gegenplan nur wie eine hohle Matroschka und bietet doch keine Alternativen zu Putins Plan-Herrschaft.
Zumindest durch Wortspielereien der russischen Jugend wird dem Plan doppeldeutiger Sinn eingehaucht. Eine Rockgruppe aus Wladiwostok hat einen Song herausgebracht: „Der Präsident ist zufrieden / Er betrachtet Russland als ein Paradies / Putins Plan ist die Schlagzeile / Ist das nicht heiß?“, lautet der Refrain. Der Rap parodiert und zelebriert zugleich die geistigen Verirrungen der Putin-Fans. „Plan“ ist das russische Slang-Wort für Marihuana. Im Video-Clip der Band „Koreiskije LEDschikij“, „Koreanische Flieger“ steht Putin in einem Ernte reifen Cannabis-Feld und guckt bekifft in die Ferne.
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