Mittwoch, 11. Juli 2007

Die Heldenfabrik



Die Helden Russlands werden derzeit wie am Fließband produziert. Wenn sie nicht neu erfunden werden können, dann gräbt man sie eben aus. Nicht etwa auf dem alten Heldenfriedhof, sondern aus den Archiven - genauer gesagt aus dem Filmarchiv von Mosfilm, Russlands größter Filmproduktion. Ursprünglich auf Celluloit gebannt und mit neuester Technik nun digitalisiert sind sie heute jederzeit abrufbar, die Leinwandhelden der Sowjetunion. Sie laufen jetzt wieder regelmäßig - abends ab 20.15 gibt es "Krieg und Frieden", "Panzerkreuzer Potemkin", "Ivan der Schreckliche", "Andrej Rubelow" und wie sie nicht alle heißen.

Warum die Heldenfabrik Mosfilm zur Pressekonferenz eingeladen hatte, das war mir trotz ausgiebiger Recherche nicht wirklich klar. Die alten Helden sind ja nun nichts neues. So hat es mir auch wenig ausgemacht, dass ich knapp 40 Minuten zu spät war, weil der Spiegel-Fahrer irgendwo im Stau festhing und ich dann doch die Metro nehmen musste. Fast symbolisch bin ich auch noch an der Station "Park des Sieges" ausgestiegen, die eben erst frisch renoviert worden war.

Auf der Suche nach dem Eingang zu dem riesigen Gelände von Mosfilm musste ich mich durch Panzerschlachten des Zweiten Weltkrieges, Mongolenkriege und zerfallene sibirische Dörfer durchkämpfen, um dann auf einen äußerst hilfbsreiten (ja, es gibt sie doch) Milizionär zu stoßen, an dessen Sprachfehler ich scheiterte. Ich habe einfach kein Wort verstanden! So musste ich alleine die Journalisten-Gruppe im Dschungel der Filmsets suchen gehen.
Ich verlief mich endgültig im dritten Gang zwischen Kleiderfundus und Waffensammlung, die für einen afrikanischen Krieg ausreichen würde, setzte mich total abgekämpft zwischen die Ritterrüstungen und wartete. Der Engel, der mich rettete hieß Sweta. Sie brachte mir einen Tee, telefonierte eine Weile und packte mich an der Hand: "Ich hab die Journalisten gefunden!" sagte sie und ihre hundert Kilo zogen mich mit ihr fort.

"Langeweile" - das ist wohl die Überschrift, die ich und meine ausländischen Kollegen dieser Geschichte als Überschrift gerne aufgedrückt hätten. Fast ein-einhalb Stunden schob uns die Pressesprecherin von Mosfilm von einem Studio ins andere. Wir mussten uns Kameras, Computer, Mischpulte angucken - "alles modern, alles neu, jetzt auf Weltniveau" wiederholte sie immer und immer wieder. Alle nickten. Keiner war so begeistert wie sie. Der Grund: Wir wussten, die britischen Fernseh-Journalisten hatten eine bessere Ausrüstung über der Schulter, als die Film-Kamera, die sie uns als "super-neu" vorführte.

Letztlich - nach einer Stunde PK mit dem Generaldirektor, der von Putin persönlich zum Chef der Heldenfabrik ernannt worden ist- stand im hintersten Winkel endlos langer Gänge dann das, was wir alle haben wollten: das Buffet. Häppchen, Oliven, Früchte, Wasser, Wein und viel Wodka. Nach drei Runden waren alle versöhnt und wir wurden entlassen, bekamen noch Kaffeetassen, Schlüsselanhänger, Kullis und Aufkleber geschenkt und durften uns dann selbst den Weg zurück in das wahre Leben suchen. Während ich schon verzweifelt darüber nachdachte, wie ich diesen Nachmittag in einen Artikel verpackt bekomme, hatte ich mich schon wieder verlaufen...

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